IT-Projekte mit Teammitgliedern aus Indien und Deutschland: Kommunikationshürden und wie man sie verhindert

IT-Projekte mit Teammitgliedern aus Indien und Deutschland: Kommunikationshürden und wie man sie verhindert

Die Kommunikation zwischen deutschen oder europäischen Unternehmen und ihren Offshore-Outsourcing-Partnern kann aufgrund kultureller Unterschiede eine Herausforderung darstellen. Diesem Thema wollen wir in diesem Blogbeitrag vertieft nachgehen. Dabei fokussieren wir uns auf die Besonderheiten der Kommunikation zwischen Teammitgliedern aus Deutschland bzw. Europa und Indien, basierend auf unseren eigenen Erfahrungen. Die grundlegenden Prinzipien lassen sich jedoch auch auf andere Outsourcing-Destinationen übertragen.

Vorurteile und ihre Ursachen

Outsourcing ist in der heutigen globalisierten Welt ein gängiges Geschäftsmodell, insbesondere im IT-Bereich. Kunden profitieren zweifellos von Kosteneinsparungen, dem Zugriff auf einen globalen Fachkräftepool und der Flexibilität, die das Outsourcing bieten kann. Auf der anderen Seite stehen jedoch Herausforderungen wie Zeitunterschiede, Sprachbarrieren und unterschiedliche Arbeitsstile.

Nicht ohne Grund existieren oft Vorurteile, die zur Zurückhaltung bei potenziellen Outsourcing-Kunden führen. Aus über fünfzehnjähriger Outsourcing-Erfahrung wissen wir, dass diese Vorurteile nicht grundlos sind, sondern ihre Wurzeln in erschwerten oder gescheiterten Projekten sowie nachteiligen Erfahrungen der Vergangenheit haben.

In zahlreichen Fällen wurde von nicht eingehaltenen Terminen, unzureichend umgesetzten Anforderungen und ständigen Bearbeiterwechseln berichtet. Auch in unseren Projekten gab es nicht ausschließlich positive Erfahrungen. Sowohl von Kunden als auch von Geschäftspartnern berichtete Fälle und eigene Projekte haben jedoch gezeigt, dass es vor allem kommunikative Hürden waren, die die Zusammenarbeit erschwerten. Diese zu erkennen und im Vorfeld zu verhindern, ist daher ein relevanter Aspekt für den Erfolg eines Outsourcing-Projekts.

Kulturelle Unterschiede als Chance nutzen

Im ersten Schritt sollten alle Beteiligten sich bewusst sein, dass kulturelle Unterschiede existieren. Das klingt banal, ist aber eine häufige Fehlerquelle („Ich behandele alle Teammitglieder doch vollkommen gleich, was soll ich denn noch tun?“). Wer diese Unterschiede ignoriert und seine Kommunikation nicht anpassen kann oder möchte, riskiert, dass der Projekterfolg darunter leidet.

Es ist wichtig zu verstehen, dass kulturelle Unterschiede nicht durch konsequente Gleichbehandlung aller Teammitglieder einfach entfallen. Trotzdem sollte dies nicht zur Resignation führen, sondern als Herausforderung betrachtet werden. Kommunikative Hürden sind in den meisten Fällen überwindbar und können sogar zu einer erleichterten und effizienteren Zusammenarbeit führen.

Die anfängliche Investition von Zeit und Mühe in die Identifizierung und Bewältigung kommunikativer Herausforderungen kann sich später positiv auswirken. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die intensive Auseinandersetzung mit kulturellen Unterschieden und die bewusste Entwicklung von Kommunikationsregeln im Outsourcing-Team dazu führen können, dass die Kommunikation dort letztendlich einfacher und effizienter verläuft als mit Teammitgliedern aus dem gleichen kulturellen Umfeld vor Ort. Dies liegt daran, dass man sich in Bezug auf letzte möglicherweise nur oberflächlich oder noch gar nicht mit der Bedeutung der Kommunikation als Erfolgsfaktor auseinandergesetzt haben.

Zusätzlich können verschiedene Perspektiven und Herangehensweisen in einem globalen Team zu innovativen Lösungen führen, die in einem nicht diversen Team möglicherweise nicht gefunden worden wären. Es gilt also, die Herausforderung anzunehmen und kulturelle Unterschiede sowie die daraus resultierenden Learnings zu schätzen.

Unterschiede erkennen und respektieren

Es ist typisch menschlich, bei der Kommunikation zunächst von sich selbst auf andere zu schließen. Denn unser eigener Erfahrungsschatz, unsere eigenen kulturellen Prägungen und Erinnerungen sind nun einmal der größte Fundus an Informationen über menschliches Verhalten, der uns zur Verfügung steht. Und wenn wir kulturell ähnlichen Personen begegnen, ist diese Herangehensweise meist auch erfolgreich. Doch dieses Herangehen stößt schnell an Grenzen, wenn es um die Kommunikation mit Personen aus anderen Kulturkreisen geht. Selbst innerhalb Deutschlands gibt es bereits Unterschiede, wie zwischen Norddeutschen und Bayern.

Auf der indischen Seite sind die Unterschiede noch vielfältiger, da es sich nicht um ein einzelnes Land, sondern um einen Kontinent mit rund 1,4 Milliarden Menschen und rund 22 offiziellen, aber 180 bekannten Sprachen mit über 500 Dialekten handelt. Daher ist es wenig überraschend, dass deutsche oder europäische Unternehmen und ihre indischen Outsourcing-Partner unterschiedliche Arbeitskulturen und Herangehensweisen haben.

Im Folgenden möchten wir einige Herausforderungen und Lösungsansätze aufzeigen, ohne dabei den Anspruch auf Patentrezepte zu erheben, da jeder Mensch individuell ist.

Sprachbarrieren und -brücken

Die Arbeit in multinationalen Teams erfordert oft die Nutzung der englischen Sprache als gemeinsame Kommunikationsplattform. Hierbei ist es wichtig, sich bewusst zu sein, dass Englisch nicht für jedes Teammitglied die Muttersprache ist und es nicht jedem gleich leicht fällt, sich in dieser Sprache fehlerfrei auszudrücken.

Sensibilität ist gefragt, um sicherzustellen, dass jeder sich verstanden fühlt und sich frei äußern kann. Klare Kommunikationsrichtlinien, regelmäßige Schulungen und die Förderung eines offenen Dialogs können helfen, Sprachbarrieren zu überwinden.

Hierarchien

Hierarchische Strukturen sind in Deutschland oft ausgeprägter als in Indien, wo Teamarbeit und flache Hierarchien bevorzugt werden. Ganz pauschal kann dies jedoch auch nicht gesagt werden, denn gerade US-amerikanische Unternehmen, die in Indien ganze Büros eröffnen, etablieren teilweise noch hierarchischere Strukturen. Es ist somit nicht nur die Herkunft der MitarbeiterInnen entscheidend, sondern auch bisherigen beruflichen Stationen.

Es ist daher empfehlenswert, bei der Integration von Teammitgliedern aus Indien darauf zu achten, nicht endlose Hierarchie-, Weisungs- und Reportingstrukturen zu etablieren. Erfolgversprechender ist es, das Miteinander im Team und die Motivation der Teammitglieder zu fördern, wobei hierarchische Strukturen auf das Notwendige beschränkt werden sollten.

Beziehungs- und Sachebene

MitarbeiterInnen aus Indien pflegen gerne einen beziehungsorientierten Umgang, auch im beruflichen Kontext. Im Gegensatz dazu sind viele Arbeitnehmer in Deutschland sehr sachorientiert und möchten persönliche Aspekte aus dem Berufsleben herauslassen.

Um einige plakative Beispiele zu nennen: In Indien ist es sehr viel üblicher als in Deutschland, dass mehrere Angehörige einer Familie ein gemeinsames (Klein-) Unternehmen betreiben oder dass Verwandte sich bewusst beim selben Arbeitgeber beschäftigen lassen. Auch das gemeinsame Begehen der vielfältigen Festivitäten und (religiösen) Bräuchen im Büro oder gemeinsam mit Arbeitskollegen ist in Indien nichts Besonderes, in Deutschland eher selten (von der obligatorischen Weihnachtsfeier einmal abgesehen).

Es ist ratsam, dass MitarbeiterInnen aus Deutschland gegenüber Teammitgliedern mit indischem Hintergrund, wenn möglich, nicht zu verschlossen auftreten und echtes Interesse an den Lebensumständen der jeweils anderen Gruppe zeigen. Eine Nachfrage nach dem Wohlbefinden der Familie wird in Indien in der Regel positiv aufgenommen und authentisch beantwortet.

Feedback-Kultur bewusst gestalten

Die Feedback-Kultur im Hinblick auf Arbeitsaufgaben sollte vor dem Hintergrund der Unterschiede in der Beziehungs- und Sachebene bewusst gestaltet werden. Es wird Situationen geben, in denen etwas nicht wie geplant funktioniert hat oder ein Teammitglied einen Fehler begangen hat.

Es ist bekannt, dass MitarbeiterInnen in Indien kritisches Feedback möglicherweise lieber für sich behalten, um die persönliche Beziehung nicht zu gefährden. Hier können die deutschen oder europäischen Teammitglieder eine Rolle spielen, indem sie eine offene Feedbackkultur anstreben und vorleben.

Wenn es erforderlich wird, dass ein Teammitglied mit deutscher kultureller Prägung kritisches Feedback an ein Teammitglied aus Indien äußert, sollte vorsichtig vorgegangen werden. Es geht nicht darum, sich kulturell vollständig anzupassen, d.h. auf keinen Fall sollte das „Ob“ von Feedback in Frage gestellt werden, es geht vielmehr in besonderem Maße um das „Wie“. Aus unserer Sicht ist es wichtig Feedback gezielt sachbezogen zu äußern und dabei klar zu machen, dass die Person weiterhin geschätzt und respektiert wird. Ungünstig ist es z.B. die Stimme zu erheben oder ganz generell die Fähigkeiten einer Person in Frage zu stellen.

Selbstbestimmte Arbeitsweise: Fluch oder Segen?

Die Arbeitskultur in Deutschland und Europa, insbesondere seit der Verbreitung des Konzepts „New Work“, unterscheidet sich mitunter stark von den Gewohnheiten von Mitarbeitern in Indien. Es ist wichtig zu berücksichtigen, dass der Grad an Eigeninitiative stark von individuellen Charaktereigenschaften abhängt.

In Indien wurde oft von unserer MitarbeiterInnnen berichtet, dass in früheren Jobs die eigenständige Arbeitsweise nicht unbedingt gefördert wurde. MitarbeiterInnen mit dieser beruflichen Historie erwarten oft klare Aufgabenzuweisungen und fühlen sich möglicherweise verloren, wenn keine weiteren Aufgaben folgen.

Hier kann Abhilfe geschaffen werden, indem man den MitarbeiterInnen zutraut, selbstständig größere Aufgaben zu bearbeiten und sich diese selbst sinnvoll aufzuteilen. Feedback und Unterstützung sind besonders am Anfang wichtig, wenn Mitarbeiter schrittweise in die selbstbestimmtere Arbeitsweise eingeführt werden.

Zum Schluss

Eine respektvolle Zusammenarbeit basierend auf Vertrauen und Verständnis kann die Grundlage für den Erfolg eines multinationalen Teams bilden. Es ist wichtig, bestehende kulturelle Unterschiede zu respektieren und als Chance zu sehen, voneinander zu lernen. Damit Vorurteile auf beiden Seiten nicht die Zusammenarbeit beeinträchtigen ist es wichtig, diese Vorurteile aktiv anzugehen und aufzuklären. Das Vermeiden von Stereotypen und das Betonen der individuellen Fähigkeiten jedes Teammitglieds tragen dazu bei, eine positive Teamdynamik zu schaffen.

Wir hoffen, dass dieser Blogbeitrag dazu beiträgt, kulturelle Unterschiede bei der Zusammenarbeit von multinationalen Teams zu verdeutlichen. Die Darstellung ist nicht abschließend, und wir behalten uns vor, den Artikel von Zeit zu Zeit zu erweitern, basierend auf weiteren relevanten Erfahrungen, die wir bei unserer spannenden Reise mit BiKollegen und Omnics Technologies noch machen werden. Auch sind alle interessierten Leser dazu aufgefordert, uns ihre eigenen Erfahrungen und Learnings zum IT-Outsourcing zu übermitteln, damit wir diese in unsere Auseinandersetzung mit dem Thema einbeziehen können.