Die LinkedIn-Bombing-Kultur – Warum Massenanschreiben nicht funktionieren
Im digitalen Zeitalter, in dem Netzwerken und Online-Präsenz maßgeblich für den geschäftlichen Erfolg sein können, hat sich LinkedIn als DIE zentrale Plattform für professionelles Networking und Geschäftsentwicklung etabliert und andere Anbieter wie zum Beispiel XING hinter sich gelassen. Doch mit dem Aufstieg von LinkedIn als maßgeblichem Schauplatz für businessbezogene digitale Interaktionen ist auch ein Trend entstanden, der weniger positiv aufgenommen wird: Wir nennen es „LinkedIn-Bombing“. Damit meinen wir die Praxis, dass Unternehmen, auch und oft IT-Outsourcer, massenhaft Inmails mit oft „unmoralischen“ (hinsichtlich des Preis-Leistungs-Verhältnisses) Angeboten versenden. Dieses Geschehen, welches tatsächlich mittlerweile verstärkt von unserer eigenen Branche ausgeht, ist aus unserer Sicht fragwürdig und auch nicht langfristig erfolgversprechend.
Die Problematik des Massenanschreibens (auf LinkedIn und anderswo)
Das zentrale Problem des LinkedIn-Bombings liegt in der Natur der Herangehensweise: das wahllose und massenhafte Versenden von Nachrichten. Dazu verleitet die Plattform LinkedIn unmittelbar, denn mit Kopieren und Einfügen ist dieselbe Nachricht schnell an eine Reihe von Menschen versendet. Noch einfacher geht’s mit speziellen Tools, die ebenfalls massenhaft aus dem Boden schießen. Hier kann man auch Lückentexte verfassen, bei denen das Tool dann zum Beispiel den Vornamen einsetzt (oder auch nur vermeintlich, denn aus Frau Dr. XY wird dann oft „Hallo Doktor“, ein untrügliches Zeichen, dass sich hier kein Mensch Gedanken über die Formulierung gemacht hat). Diese Tools erlauben sogar ganze Eventualitäten-Bäume und lösen verschiedene Nachrichten, wie zum Beispiel Nachfragen und Erinnerungen aus, je nachdem, ob die angeschriebene Person geantwortet hat oder nicht. Wer – wie wir – in Deutschland ein IT-Unternehmen, egal mit welchem Schwerpunkt, betreibt, der kennt diese Nachrichten: Irgendwelche Dienstleistungen, natürlich signifikant günstiger als überall sonst usw. Unternehmen, die diese Taktik anwenden, bieten in der Regel Dienstleistungen zu Dumpingpreisen an. Wir haben beispielsweise schon Werbung für IT-Dienstleistungen für 5 € pro Stunde oder weniger bekommen.
Diese Angebote klingen nicht nur zu schön, um wahr zu sein, sondern sind auch ein Indikator für eine kurzfristige und oft qualitativ minderwertige Arbeitsweise. Diese Praxis ist aus mehreren Gründen problematisch:
- Qualitätsmängel: Hinter unmoralisch günstigen Angeboten verbergen sich häufig Dienstleistungen, die in puncto Qualität zu wünschen übrig lassen. Die Realität zeigt, dass Qualität ihren Preis hat und niedrigste Angebote oft mit versteckten Kosten oder minderwertigen Ergebnissen verbunden sind. Oft wird auf Auftragnehmer ein Senior-Entwickler präsentiert oder versprochen und dann doch die gesamte Arbeit von einem Junior ausgeführt. In besonders krassen Fällen werden die Aufträge sogar an weitere Anbieter unter-outgesourct, hierbei gehen oft Informationen auf den mehrstufigen Kommunikationswegen verloren, sodass ein Qualitätsverlust vorprogrammiert ist.
- Schaden für die gesamte Branche: Leider schaden diese ungezielten und daher oft völlig fehlgehenden Massenanschreiben, die oft Angebote mit Dumping-Preisen enthalten, der gesamten Branche. Nicht selten erfahren wir dies als IT-Outsourcing-Anbieter selbst, weil potenzielle Kunden, mit denen wir in Kontakt treten, schlechte Erfahrungen, zum Beispiel mit den oben genannten Massenmails oder bei Beauftragung mit Qualitätsproblemen gemacht haben, die durch unprofessionell durchgeführtes IT-Outsourcing verursacht wurden.
- Ineffektivität: Seien wir ehrlich: Es würde keine Massenanschreiben geben, wenn es nicht eine gewisse Erfolgsquote geben würde. Zu lesen ist zum Beispiel von einer Rückmeldung pro 200 Mails. Dennoch ist die Erfolgsquote von Massenanschreiben generell niedrig. Die meisten Empfänger ignorieren solche Nachrichten oder reagieren sogar negativ, was die Chance auf eine spätere erfolgreiche Geschäftsbeziehung zusätzlich minimiert. Man könnte auch sagen: Gewinne einen von 200 Kontakten und verbrenne möglicherweise den Rest.
- Reputationsrisiken: Unternehmen, die auf Massenanschreiben setzen, riskieren ihren Ruf. LinkedIn-Nutzer, die wiederholt unaufgeforderte und irrelevante Angebote erhalten, neigen dazu, diese Unternehmen als aufdringlich und unseriös wahrzunehmen und gegebenenfalls sogar zu melden. Selbst wenn es dann auf anderem – und eigentlich erfolgversprechenderem Weg – zu einem Kontaktpunkt kommen sollte, zum Beispiel durch Empfehlung eines anderen Kunden, wird die negative Erfahrung präsent sein und den potenziellen Kunden gegebenenfalls davon abhalten, mit dem Dienstleister Kontakt aufzunehmen.
Um in der Welt des digitalen Marketings und Netzwerkens erfolgreich zu sein, müssen Unternehmen unserer Meinung nach über die kurzfristigen Taktiken des LinkedIn-Bombings hinausdenken. Hier sind einige effektivere Strategien:
- Authentisches Netzwerken: Der Aufbau echter Beziehungen auf LinkedIn erfordert Zeit und Engagement, führt aber zu nachhaltigeren Geschäftsbeziehungen und der Möglichkeit zu einem Austausch auf Augenhöhe. Indem man sich die Zeit nimmt, die Interessen und Bedürfnisse potenzieller Kontakte zu verstehen, kann man maßgeschneiderte und relevante Nachrichten senden, die echtes Interesse und Wertschätzung zeigen. Aus unserer Sicht sollte auch nicht mit „voller Kraft“ der Fokus darauf gelegt werden, eine bestimmte Person als Kunden zu konvertieren, auch „einfaches“ Netzworking kann vielschichtige Erfolge herbeiführen, z.B. künftige Kooperation oder Empfehlungen, welche sich ohne authentisches Netzwerken sicher nicht einstellen würden.
- Content Marketing mit Mehrwert: Anstatt potenzielle Kunden mit Werbemails zu bombardieren, hat unsere Erfahrung gezeigt, dass es deutlich mehr Erfolg bringt, in qualitativ hochwertigen Content zu investieren, der echten Mehrwert bietet. Informative Blogbeiträge, Fallstudien und Whitepapers, die auf LinkedIn geteilt werden, positionieren ein Unternehmen als Branchenexperten und ziehen natürliches Interesse an.
- Qualitativ hochwertige Arbeit: Diese Strategie ist die älteste und einfachste: Wer seine Arbeit gut macht und einen zufriedenen Kunden hinterlässt, hat die höchste Chance darauf, weiterempfohlen werden oder kann es sich sogar erlauben, den Kunden aktiv darum zu bitten, sowohl durch persönliche Empfehlungen als auch durch inspirierende Testimonials auf der eigenen Webseite oder ansprechende Bewertungen auf verschiedenen Portalen.
Also?
Die LinkedIn-Bombing Culture ist ein symptomatisches Beispiel für kurzfristiges Denken in der digitalen Geschäftswelt. Während der Druck, schnell Ergebnisse zu liefern, groß sein mag, zeigt auch unsere Erfahrung, dass nachhaltiger Erfolg eine Strategie erfordert, die auf Qualität, Authentizität und echtem Mehrwert basiert. Unternehmen, die diese Prinzipien beherzigen, werden nicht nur ihre Reputation auf LinkedIn und darüber hinaus schützen, sondern auch langfristige und fruchtbare Geschäftsbeziehungen aufbauen.